Sebastian und Hannah, Roman und Magdalena - zwei Paare treffen aufeinander und unter dem Stress der Situation offenbaren sich tiefe Risse in den vormals so harmlos glatt wirkenden Persönlichkeiten und Beziehungen. Darum geht es in der Produktion von Wir lieben und wissen nichts am Tübinger Landestheater.

Konstellation und Vorgehensweise sind spätestens seit Wer hat Angst vor Virginia Woolf? bekannt und in vielen Stücken aufgenommen, von Moritz Rinkes Text allerdings gekonnt variiert. Der Text ist stets unterhaltsam, die Tübinger Inszenierung bringt uns Zuschauer am letzten Abend der LTT-Spielzeit (16.7.2015) in ca. 105 Minuten zügig durch den Abend.

Das (sehr schöne) Programmheft weist darauf hin, daß “der Abgrund [bei Rinke] immer nur einen Schritt entfernt” ist. Das lässt auf mehr Untiefen hoffen, als dann tatsächlich zu sehen sind: Zu sehr verliert sich der Text in Details zum konkreten Alltag der Protagonisten - ob der Kulturgeschichte der Orgie, dem Sinn von Atemübungen für Banker oder nicht endenwollenden Techogebabbel über WLAN, Router und Provider.

(Und wer schon ein Original PowerBook G4 Titanium auf die Bühne stellt, sollte es mindestens einschalten, anstatt die entscheidenden Kabel ungetarnt dran vorbeizumogeln. Kein Besitzer dieses Klassikers hat ihn jemals so lieblos behandelt wie das LTT an diesem Abend.)

Was der Text noch an Untiefen lässt, wird weiter verflacht von der Inszenierung:

Michael Ruchter als Sebastian hat großartiges komisches Timing, setzt aber zu sehr auf die komödiantische Seite des Stücks, als dass man ihm ein existenzielles Moment wirklich abnehmen würde. Jennifer Kornprobst als Magdalena macht das noch am eindrucksvollsten. Generell sind die Schauspieler toll (außerdem noch Franziska Beyer als Hannah und Patrick Schnicke als Roman) - an ihnen liegt es nicht, dass der Abend insgesamt belanglos dahinplätschert.

Das Problem ist die Regie: Mit der eigentlichen Charakterinterpretation (aber auch mit dem Handling von Requisiten) wirken die Schauspieler oft alleingelassen und seltsam körperlos, selbst bei den zahlreichen Konfrontationen. Wilhelm Triebold vom Tagblatt weist darauf hin (nachzulesen in der sauberen Presseschau auf der LTT-Seite), dass Regisseur Christoph Roos damit möglicherweise dem Wunsch des Autors nachkommt, das Stück nicht zu “dramassieren”, also “nach Gusto und Karrierestreben [zurechtzukneten]”. Damit werden die Schauspieler aber oft auf Erklärbären reduziert, anstatt dramatisch wirksame Positionen zu behaupten.

Das Bühnenbild von Peter Scior ist die langweilige naturalistische Reproduktion eines Wohnzimmers vor dem Auszug, bietet also auch keine strukturellen Hilfen für Regie und Schauspiel. Der lustige Effekt gegen Ende, als die Rückwand einer großformatigen Darstellung des Weltalls weicht, ist visuell eindrucksvoll, versandet aber mangels Einbeziehung in Regie oder Charakterisierung.